2. Zweiter Aufzug ("Парсифаль", либретто Рихарда Вагнера, второй акт)

ZWEITER AUFZUG

Im inneren Verliesse eines nach oben offenen Turmes; Steinstufen führen nach dem Zinnenrande der Turmmauer; Finsternis in der Tiefe, nach welcher es von dem Mauervorsprunge, den der Boden darstellt, hinabführt. Zauberwerkzeuge und nekromantische Vorrichtungen. – Klingsor auf dem Mauervorsprunge zur Seite, vor einem Metallspiegel sitzend

KLINGSOR
Die Zeit ist da. –
Schon lockt mein Zauberschloss den Toren,
den kindisch jauchzend fern ich nahen seh: –
Im Todesschlafe hält der Fluch sie fest,
der ich den Krampf zu lösen weiss.
Auf denn! Ans Werk!
Er steigt, der Mitte zu, etwas tiefer hinab, und entzündet dort Räucherwerk, welches alsbald den Hintergrund mit einem bläulichen Dampfe erfüllt. – Dann setzt er sich wieder vor die Zauberwerkzeuge und ruft, mit geheimnisvollen Gebärden, nach dem Abgrunde
Herauf! Herauf! Zu mir!
Dein Meister ruft dich Namenlose,
Urteufelin, Höllenrose!
Herodias warst du, und was noch?
Gundryggia dort, Kundry hier!
Hieher! Hieher denn, Kundry!
Dein Meister ruft: herauf!

In dem bläulichen Lichte steigt Kundry's Gestalt herauf. Sie scheint schlafend. – Dann macht sie die Bewegung einer Erwachenden und stösst einen grässlichen Schrei aus

KLINGSOR
Erwachst du? Ha!
Meinem Banne wieder
verfielst du heut zur rechten Zeit.
Kundry lässt ein Klagegeheul, von grösster Heftigkeit bis zu bangem Wimmern sich abstufend, vernehmen
Sag, wo triebst du dich wieder umher?
Pfui! Dort, bei dem Rittergesipp,
wo wie ein Vieh du dich halter lässt!
Gefällt's dir bei mir nicht besser?
Als ihren Meister du mir gefangen –
haha! – den reinen Hüter des Grales,
was jagte dich da wieder fort?

KUNDRY
rauh und abgebrochen, wie im Versuche, wieder Sprache zu gewinnen
Ach –! Ach –!
Tiefe Nacht ...
Wahnsinn ... Oh! – Wut..
Ach! Jammer!
Schlaf ... Schlaf ...
tiefer Schlaf ... Tod ...!

KLINGSOR
Da weckte dich ein Andrer? He?

KUNDRY
wie zuvor
Ja ... mein Fluch.
Oh ...! Sehnen ... Sehnen ...

KLINGSOR
Haha! – dort nach den keuschen Rittern?

KUNDRY
Da ... da ... dient ich.

KLINGSOR
Ja ja, den Schaden zu vergüten,
den du ihnen böslich gebracht? –
Sie helfen dir nicht;
feil sind sie Alle,
biet ich den rechten Preis:
der festeste fällt,
sinkt er dir in die Arme, –
und so verfällt er dem Speer,
den ihrem Meister selbst ich entwandt. –
Den gefährlichsten gilt's nun heut zu bestehn:
ihn schirmt der Torheit Schild.

KUNDRY
Ich – will nicht. – Oh – Oh! –

KLINGSOR.
Wohl willst du, denn du musst.

KUNDRY
Du ... kannst mich nicht halten.

KLINGSOR
Aber dich fassen.

KUNDRY
Du? ...

KLINGSOR
Dein Meister.

KUNDRY
Aus welcher Macht?

KLINGSOR
Ha! – weil einzig an mir
deine Macht nichts vermag.

KUNDRY
grell lachend
Haha! Bist du keusch?

KLINGSOR
wütend
Was frägst du das? Verfluchtes Weib!
Furchtbare Not!
So lacht nun der Teufel mein,
dass einst ich nach dem Heiligen rang?
Furchtbare Not! –
Ungebändigten Sehnens Pein,
schrecklichster Triebe Höllendrang,
den ich zum Todesschweigen mir zwang,
lacht und höhnt er nun laut
durch dich, des Teufels Braut?
Hüte dich!
Hohn und Verachtung büsste schon Einer –
der Stolze, stark in Heiligkeit,
der einst mich von sich stiess:
sein Stamm verfiel mir,
unerlöst
soll der Heiligen Hüter mir schmachten,
und bald – so wähn ich –
hüt ich mir selbst den Gral.
Haha!
Gefiel er dir wohl, Amfortas, der Held –
den ich zur Wonne dir gesellt?

KUNDRY
Oh! Jammer! Jammer! –
Schwach auch Er – schwach – Alle, ...
meinem Fluche mit mir
Alle verfallen! –
Oh, ewiger Schlaf,
einziges Heil,
wie – wie – dich gewinnen?

KLINGSOR
Ha! Wer dir trotzte, löste dich frei;
versuch's mit dem Knaben, der naht! –

KUNDRY
Ich will nicht!

KLINGSOR
steigt hastig auf die Turmmauer
Jetzt schon erklimmt er die Burg.

KUNDRY
Oh! – Wehe! Wehe!
Erwachte ich darum?
Muss ich? Muss ...?

KLINGSOR
hinabblickend
Ha! Er ist schön, der Knabe!

KUNDRY
Oh –! Oh –! Wehe mir! –

KLINGSOR
stösst, nach aussen gewandt, in ein Horn
Ho! Ihr Wächter! Ho! Ritter!
Helden! Auf! Feinde nah!
Aussen wachsendes Getöse und Waffengeräusch
Ha! Wie zur Mauer sie stürmen,
die betörten Eigenholde,
zum Schutz ihres schönen Geteufels!
So! Mutig! Mutig!
Haha! Der fürchtet sich nicht:
dem Helden Ferris entwand er die Waffe, –
die führt er nun freislich wider den Schwarm.
Kundry gerät in unheimliches ekstatisches Lachen bis zu krampfhaftem Wehgeschrei
Wie übel den Tölpeln der Eifer gedeiht!
Dem schlug er den Arm, – jenem den Schenkel!
Haha! Sie weichen.
Kundry verschwindet
Sie fliehen.
Das bläuliche Licht ist erloschen, volle Finsternis in der Tiefe, wogegen glänzende Himmelsbläue über der Mauer
Seine Wunde trägt jeder nach heim.
Wie das ich euch gönne!
Möge denn so
das ganze Rittergezücht
unter sich selber sich würgen!
Ha! Wie stolz er nun steht auf der Zinne!
Wie lachen ihm die Rosen der Wangen,
da kindisch erstaunt
in den einsamen Garten er blickt!
er wendet sich nach der Tiefe des Hintergrundes um
He! Kundry! ... Wie? Schon am Werk?
Haha! Den Zauber wusst ich wohl,
der immer dich wieder zum Dienst mir gesellt!
sich wieder nach aussen wendend
Du da, – kindischer Spross, –
was auch
Weissagung dich wies,
zu jung und dumm
fielst du in meine Gewalt:
die Reinheit dir entrissen,
bleibst mir du zugewiesen!

Er versinkt schnell mit dem ganzen Turme; zugleich steigt der Zaubergarten auf und erfüllt die Bühne gänzlich. Tropische Vegetation, üppigste Blumenpracht; nach dem Hintergrunde zu Abgrenzung durch die Zinne der Burgmauer, an welche sich seitwärts Vorsprünge des Schlossbaues selbst (arabischen reichen Stiles) mit Terrassen anschliessen. – Auf der Mauer steht Parsifal, staunend in den Garten hinabblickend. – Von allen Seiten her, zuerst aus dem Garten, dann aus dem Palaste, stürzen, wirr durch einander, einzeln, dann zugleich – immer mehre, schöne Mädchen herein; sie sind mit flüchtig übergeworfenen, zartfarbigen Schleiern verhüllt, wie soeben aus dem Schlafe aufgeschreckt

MÄDCHEN
vom Garten kommend
Hier war das Tosen!
Waffen? Wilde Rufe!

MÄDCHEN
vom Schlosse heraus
Wo ist der Frevler?
Auf zur Rache!

EINZELNE
Mein Geliebter verwundert.

ANDERE
Wo find ich den meinen?

ANDERE
Ich erwachte alleine –
wohin entflohn sie?

IMMER ANDERE
Wo sind unsre Liebsten?
Wir sahn sie im Saale!
Oh! Weh! Ach Wehe!
Wer ist der Feind?
Sie gewahren Parsifal und zeigen auf ihn
Da steht er! Seht ihn dort!
Meines Ferris Schwert
in seiner Hand!
Ich sah's! Der stürmte die Burg.
Ich hörte des Meisters Horn.
Mein Held lief herzu,
sie Alle kamen, doch Jeden
empfing seine Wehr.
Der schlug mir den Liebsten!
Noch blutet die Waffe!
Du dort! Du dort!
Was schufst du uns solche Not?
Verwünscht, verwünscht sollst du sein!

Parsifal springt etwas tiefer in den Garten herab. Die Mädchen weichen jäh zurück

DIE MÄDCHEN
Ha! Kühner! Wagst du zu nahen?
Was schlugst du unsre Geliebten?

PARSIFAL
voll Verwunderung anhaltend
Ihr schönen Kinder, musst ich sie nicht schlagen?
Zu euch, ihr Holden, ja wehrten sie mir den Weg.

MÄDCHEN
Zu uns wolltest du?
Sahst du uns schon?

PARSIFAL
Noch nie sah ich solch zieres Geschlecht:
nenn ich euch schön, dünkt euch das recht?

DIE MÄDCHEN
So willst du uns wohl nicht schlagen?

PARSIFAL
Das möcht ich nicht.

MÄDCHEN
Doch Schaden
schufst du uns so vielen, –
du schlugest unsre Gespielen:
wer spielt nun mit uns?

PARSIFAL
Das tu ich gern.

Die Mädchen, von Verwunderung in Heiterkeit übergegangen, brechen jetzt in ein lustiges Gelächter aus. – Während Parsifal immer näher zu den aufgeregten Gruppen tritt, entweichen unmerklich die Mädchen der ersten Gruppe und des ersten Chores hinter die Blumenhäge, um ihren Blumenschmuck zu vollenden

MÄDCHEN.
Bist du uns hold, so bleib nicht fern von uns!
Und willst du uns nicht schelten,
wir werden dir's entgelten:
wir spielen nicht um Gold, –
wir spielen um Minnes Sold.
Willst auf Trost du uns sinnen,
sollst den du uns abgewinnen!

Die Mädchen der ersten Gruppe und des ersten Chores kommen mit dem Folgenden, ganz in Blumengewändern, selbst Blumen erscheinend, zurück und stürzen sich sofort auf Parsifal

DIE GESCHMÜCKTEN MÄDCHEN
Lasset den Knaben! Er gehöret mir!
Nein! Nein! Nein! Mir!

DIE ANDERN MÄDCHEN
Hai Die Falschen! – Sie schmückten heimlich sich.

Während die Zurückgekommenen sich an Parsifal herandrängen, verlassen die Mädchen der zweiten Gruppe und des zweiten Chores hastig die Szene, um sich ebenfalls zu schmücken. – Während des Folgenden drehen sich die Mädchen, wie in anmutigem Kinderspiele, um Parsifal, sanft ihm Wange und Kinn streichelnd

DIE MÄDCHEN
Komm! Komm!
Holder Knabe,
lass mich dir blühen!
Dir zur Wonn und Labe
gilt mein minniges Mühen.

Die zweite Gruppe und der zweite Chor kommen, ebenfalls geschmückt, zurück und gesellen sich zum Spiele

PARSIFAL
heiter ruhig in der Mitte der Mädchen
Wie duftet ihr hold!
Seid ihr denn Blumen?

DIE MÄDCHEN
immer einzeln, bald mehrere zugleich
Des Gartens Zier,
und duftende Geister,
im Lenz pflückt uns der Meister.
Wir wachsen hier
in Sommer und Sonne,
für dich erblühend in Wonne.
Nun sei uns freund und hold,
nicht karge den Blumen den Sold!
Kannst du uns nicht lieben und minnen,
wir welken und sterben dahinnen.

ERSTES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
An deinen Busen nimm mich!

ERSTES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Die Stirn lass mich dir kühlen!

ZWEITES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Lass mich die Wange dir fühlen!

ZWEITES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
Den Mund lass mich dir küssen!

ERSTES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Nein! Ich! Die Schönste bin ich.

ZWEITES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Nein! Ich bin die Schönste!

ERSTES UND DRITTES MÄDCHEN DER ERSTEN UND
ZWEITES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
Ich bin schöner!

ERSTES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
Nein! Ich dufte süsser.

BEIDE CHÖRE
Nein! Ich! Ja, ich!

PARSIFAL
ihrer anmutigen Zudringlichkeit sanft wehrend
Ihr wild holdes Blumengedränge,
soll ich mit euch spielen, entlasst mich der Enge!

ERSTES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
Was zankest du?

PARSIFAL
Weil ihr euch streitet.

ERSTES MÄDCHEN DER ERSTEN UND
ZWEITES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
Wir streiten nur um dich.

PARSIFAL
Das meidet!

ZWEITES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Du lass von ihm: sieh, er will mich.

DRITTES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Mich lieber!

ZWEITES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
Nein, lieber will er mich!

ERSTES MÄDCHEN DER ZWEITEN GRUPPE
zu Parsifal
Du wehrest mich von dir?

ERSTES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Du scheuchest mich fort?

ERSTER CHOR
Bist du feige vor Frauen?

ZWEITE GRUPPE UND ZWEITER CHOR
Magst dich nicht getrauen?

ERSTES MÄDCHEN DER ERSTEN UND ZWEITEN GRUPPE
Wie schlimm bist du, Zager und Kalter!

ERSTES MÄDCHEN DER ERSTEN GRUPPE
Die Blumen lässt du umbuhlen den Falter?

ERSTER CHOR
Auf, weichet dem Toren!

ERSTE GRUPPE
Wir geben ihn verloren.

ZWEITER CHOR
Doch sei er uns erkoren!

BEIDE GRUPPEN UND CHÖRE
Nein, uns! Nein, mir gehört er an!
Auch mir! – Nein, uns gehört er an!

PARSIFAL
halb ärgerlich die Mädchen abschreckend
Lasst ab! Ihr fangt mich nicht!

Er will fliehen, als er aus dem Blumenhage Kundrys Stimme vernimmt und betroffen stillsteht

KUNDRY
Parsifal! – Weile!

PARSIFAL
Parsifal? ...
So nannte träumend mich einst die Mutter.

Die Mädchen sind bei dem Vernehmen der Stimme Kundrys erschrocken und haben sich alsbald von Parsifal zurückgehalten

KUNDRY
allmählich sichtbar werdend
Hier weile, Parsifal!
Dich grüsset Wonne und Heil zumal. –
Ihr kindischen Buhlen, weichet von ihm;
früh welkende Blumen,
nicht euch ward er zum Spiele bestellt.
Geht heim, pfleget der Wunden;
einsam erharrt euch mancher Held. –

Die Mädchen entfernen sich jetzt zaghaft und widerstrebend von Parsifal und ziehen sich nach dem Schlosse zu zurück

ALLE MÄDCHEN
Dich zu lassen, dich zu meiden,
O wehe! O wehe der Pein!
Von Allen möchten gern wir scheiden,
mit dir allein zu sein!
Leb wohl! Leb wohl!
Du Holder! Du Stolzer!
Du – Tor!

Mit dem Letzten sind die Mädchen, unter Gelächter, im Schlosse verschwunden

PARSIFAL
Dies Alles – hab ich nun geträumt?

Parsifal sieht sich schüchtern nach der Seite hin um, von welcher die Stimme kam. Dort ist jetzt, durch Enthüllung des Blumenhages, ein jugendliches Weib von höchster Schönheit – Kundry, in durchaus verwandelter Gestalt – auf einem Blumenlager, in leicht verhüllender, phantastischer Kleidung – annähernd arabischen Stiles – sichtbar geworden

PARSIFAL
noch ferne stehend
Riefest du mich Namenlosen?

KUNDRY
Dich nannt ich, tör'ger Reiner:
»Fal-parsi« –
Dich reinen Toren: »Parsifal«.
So rief, als in arab'schem Land er verschied,
dein Vater Gamuret dem Sohne zu,
den er, im Mutterschoss verschlossen,
mit diesem Namen sterbend grüsste;
ihn dir zu künden, harrt ich deiner hier:
was zog dich her, wenn nicht der Kunde Wunsch?

PARSIFAL
Nie sah ich, nie träumte mir, was jetzt
ich schau, und was mit Bangen mich erfüllt.
Entblühtest du auch diesem Blumenhaine?

KUNDRY
Nein, Parsifal, du tör'ger Reiner!
Fern – fern – ist meine Heimat.
Dass du mich fändest, verweilte ich nur hier;
von weither kam ich, wo ich viel ersah.
Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust,
sein erstes Lallen lacht mir noch im Ohr;
das Leid im Herzen,
wie lachte da auch Herzeleide,
als ihren Schmerzen
zujauchzte ihrer Augen Weide!
Gebettet sanft auf weichen Moosen,
den hold geschläfert sie mit Kosen,
dem, bang in Sorgen,
den Schlummer bewacht der Mutter Sehnen,
den weckt' am Morgen
der heisse Tau der Muttertränen.
Nur Weinen war sie, Schmerzgebahren
um deines Vaters Lieb und Tod:
vor gleicher Not dich zu bewahren,
galt ihr als höchster Pflicht Gebot.
Den Waffen fern, der Männer Kampf und Wüten,
wollte sie still dich bergen und behüten.
Nur Sorgen war sie, ach! und Bangen:
nie sollte Kunde zu dir her gelangen.
Hörst du nicht noch ihrer Klagen Ruf,
wann spät und fern du geweilt?
Hei! Was ihr das Lust und Lachen schuf,
wann sie suchend dann dich ereilt;
wann dann ihr Arm dich wütend umschlang,
ward dir es wohl gar beim Küssen bang?
Doch, ihr Wehe du nicht vernahmst,
nicht ihrer Schmerzen Toben,
als endlich du nicht wiederkamst,
und deine Spur verstoben.
Sie harrte Nächt und Tage, –
bis ihr verstummt die Klage,
der Gram ihr zehrte den Schmerz,
um stillen Tod sie warb:
ihr brach das Leid das Herz,
und – Herzeleide starb. –

PARSIFAL
immer ernsthafter, endlich furchtbar betroffen, sinkt, schmerzlich überwältigt, bei Kundrys Füssen nieder
Wehe! Wehe! Was tat ich? – Wo war ich? –
Mutter! Süsse, holde Mutter!
Dein Sohn, dein Sohn musste dich morden! –
O Tor! Blöder, taumelnder Tor!
Wo irrtest du hin, ihrer vergessend, –
deiner, deiner vergessend?
Traute, teuerste Mutter!

KUNDRY
War dir fremd noch der Schmerz,
des Trostes Süsse
labte nie auch dein Herz;
das Wehe, das dich reut,
die Not nun büsse
im Trost, den Liebe dir beut.

PARSIFAL
im Trübsinn immer tiefer sich sinken lassend
Die Mutter, – die Mutter – konnt ich vergessen!
Ha! – Was Alles vergass ich wohl noch?
Wes war ich je noch eingedenk? –
Nur dumpfe Torheit lebt in mir!

KUNDRY
immer noch in liegender Stellung, beugt sich über Parsifals Haupt, fasst sanft seine Stirne und schlingt traulich ihren Arm um seinen Nacken
Bekenntnis
wird Schuld in Reue enden –
Erkenntnis
in Sinn die Torheit wenden.
Die Liebe lerne kennen,
die Gamuret umschloss,
als Herzeleids Entbrennen
ihn sengend überfloss! –
Die Leib und Leben
einst dir gegeben,
der Tod und Torheit weichen muss, –
sie beut
dir heut –
als Muttersegens letzten Gruss,
der Liebe ersten Kuss.

Sie hat ihr Haupt völlig über das seinige geneigt, und heftet nun ihre Lippen zu einem langen Kusse auf seinen Mund

PARSIFAL
fährt plötzlich mit einer Gebärde des höchsten Schrekkens auf: seine Haltung drückt eine furchtbare Veränderung aus; er stemmt seine Hände gewaltsam gegen das Herz, wie um einen zerreissenden Schmerz zu bewältigen
Amfortas! ...
Die Wunde! – Die Wunde! –
Sie brennt in meinem Herzen! –
Oh –! Klage! Klage!
Furchtbare Klage!
Aus tiefstem Herzen schreit sie mir auf.
Oh –! Oh –!
Elender!
Jammervollster!
Die Wunde sah ich bluten, –
nun blutet sie in mir –!
Hier – hier! ...
Nein! Nein! Nicht die Wunde ist es.
Fliesse ihr Blut in Strömen dahin!
Hier! Hier im Herzen der Brand!
Das Sehnen, das furchtbare Sehnen,
das alle Sinne mir fasst und zwingt!
Oh! – Qual der Liebe!
Wie Alles schauert, bebt und zuckt –
in sündigem Verlangen!
Während Kundry in Schrecken und Verwunderung auf Parsifal hinstarrt, gerät dieser in völlige Entrücktheit. – Schauerlich leise
Es starrt der Blick dumpf auf das Heilsgefäss:
das heil'ge Blut erglüht;
Erlösungswonne, göttlich mild,
durchzittert weithin alle Seelen.
Nur hier, – im Herzen will die Qual nicht weichen.
Des Heilands Klage da vernehm ich,
die Klage, ach, die Klage
um das entweihte Heiligtum:
»Erlöse, rette mich
aus schuldbefleckten Händen!«
So rief die Gottesklage
furchtbar laut mir in die Seele.
Und ich ... der Tor ... der Feige ...
zu wilden Knabentaten floh ich hin! ...
Er stürzt verzweiflungsvoll auf die Knie
Erlöser! Heiland! Herr der Hulden!
Wie büss ich Sünder solche Schuld?

KUNDRY
deren Erstaunen in leidenschaftliche Bewunderung übergegangen, sucht schüchtern sich Parsifal zu nähern
Gelobter Held! Entflieh dem Wahn!
Blick auf, sei hold der Huldin Nah'n!

PARSIFAL
immer in gebeugter Stellung, starr zu Kundry aufblickend, während diese sich zu ihm neigt und die liebkosenden Bewegungen ausführt, die er mit dem Folgenden bezeichnet
Ja! ... diese Stimme ... so – rief sie ihm;
und diesen Blick – deutlich erkenn ich ihn, –
auch diesen, der ihm so friedlos lachte; –
die Lippe, ja ... so zuckte sie ihm;
so neigte sich der Nacken, –
so hob sich kühn das Haupt;
so flatterten lachend die Locken,
so schlang um den Hals sich der Arm;
so schmeichelte weich die Wange;
mit aller Schmerzen Qual im Bunde,
das Heil der Seele
entküsste ihm der Mund –!
Ha – dieser Kuss! ...
Verderberin! Weiche von mir!
Ewig, ewig von mir!

Parsifal hat sich allmählich erhoben, und stösst Kundry von sich

KUNDRY
in höchster Leidenschaft
Grausamer!
Fühlst du im Herzen
nur And'rer Schmerzen,
so fühle jetzt auch die meinen!
Bist du Erlöser,
was bannt dich, Böser,
nicht mir auch zum Heil dich zu einen?
Seit Ewigkeiten harre ich deiner,
des Heilands – ach! – so spät ...
den einst ich kühn geschmäht.
Oh!
Kenntest du den Fluch,
der mich durch Schlaf und Wachen,
durch Tod und Leben,
Pein und Lachen,
zu neuem Leiden neu gestählt,
endlos durch das Dasein quält!
Ich sah – Ihn – Ihn –
und ... lachte:
da traf mich ... sein Blick! –
ihm wieder zu begegnen.
In höchster Not
wähn ich sein Auge schon nah, –
den Blick schon auf mir ruhn ...
Da kehrt mir das verfluchte Lachen wieder:
ein Sünder sinkt mir in die Arme! –
Da lach ich, lache,
kann nicht weinen,
nur schreien, wüten,
toben, rasen
in stets erneueter Wahnsinns-Nacht,
aus der ich büssend kaum erwacht.
Den ich ersehnt in Todesschmachten,
den ich erkannt – den blöd Verlachten:
lass mich an seinem Busen weinen,
nur eine Stunde mit dir vereinen,
und ob mich Gott und Welt verstösst
in dir entsündigt sein und erlöst!

PARSIFAL
In Ewigkeit
wärst du verdammt mit mir
für eine Stunde
Vergessens meiner Sendung,
in deines Arms Umfangen!
Auch dir bin ich zum Heil gesandt,
bleibst du dem Sehnen abgewandt.
Die Labung, die dein Leiden endet,
beut nicht der Quell, aus dem es fliesst;
das Heil wird nimmer dir gespendet,
eh jener Quell sich dir nicht schliesst.
Ein Andres ist's, ein Andres, ach! –
nach dem ich jammernd schmachten sah;
die Brüder dort, in grausen Nöten,
den Leib sich quälen und ertöten.
Doch, wer erkennt ihn klar und hell,
des einz'gen Heiles wahren Quell?
Oh, Elend, aller Rettung Flucht!
Oh, Weltenwahns Umnachten:
in höchsten Heiles heisser Sucht
nach der Verdammnis Quell zu schmachten!

KUNDRY
in wilder Begeisterung
So war es mein Kuss,
der Welt-hellsichtig dich machte?
Mein volles Liebes-Umfangen
lässt dich dann Gottheit erlangen.
Die Welt erlöse, ist dies dein Amt,
schuf dich zum Gott die Stunde,
für sie lass mich ewig dann verdammt,
nie heile mir die Wunde!

PARSIFAL
Erlösung, Frevlerin, biet ich auch dir.

KUNDRY
Lass mich dich Göttlichen lieben,
Erlösung gabst du dann auch mir.

PARSIFAL
Lieb' und Erlösung soll dir werden,
zeigest du
zu Amfortas mir den Weg.

KUNDRY
in Wut ausbrechend
Nie –! sollst du ihn finden!
Den Verfall'nen, lass ihn verderben –
den Unsel'gen,
Schmach-lüsternen,
den ich verlachte – lachte – lachte – haha!
Ihn traf ja der eigne Speer!

PARSIFAL
Wer durft ihn verwunden mit der heil'gen Wehr?

KUNDRY
Er ... Er ...
der einst mein Lachen bestraft ...
Sein Fluch – ha, mir gibt er Kraft;
gegen dich selbst ruf ich die Wehr,
gibst du dem Sünder des Mitleids Ehr'! ...
Ha ... Wahnsinn!
flehend
Mitleid! Mitleid mit mir!
Nur eine Stunde mein!
Nur eine Stunde dein ...
und des Weges
sollst du geleitet sein!

Sie will ihn umarmen. Er stösst sie heftig von sich

PARSIFAL
Vergeh, unseliges Weib!

KUNDRY
rafft sich mit wildem Wutrasen auf und ruft dem Hintergrunde zu:
Hilfe! Hilfe! Herbei!
Haltet den Frechen! Herbei!
Wehrt ihm die Wege!
Wehrt ihm die Pfade!
Und flöhest du von hier, und fändest
alle Wege der Welt,
den Weg, den du suchst,
des Pfade sollst du nicht finden:
denn Pfad und Wege,
die dich mir entführen,
so verwünsch ich sie dir!
Irre! Irre!
mir so vertraut –
dich weih ich ihm zum Geleit!

Klingsor ist auf der Burgmauer herausgetreten und schwenkt eine Lanze gegen Parsifal

KLINGSOR
Halt da! Dich bann ich mit der rechten Wehr!
Den Toren stelle mir seines Meisters Speer!

Er schleudert auf Parsifal den Speer, welcher über dessen Haupte schweben bleibt. Parsifal erfasst den Speer mit der Hand und hält ihn über seinem Haupte

PARSIFAL
Mit diesem Zeichen bann ich deinen Zauber:
wie die Wunde er schliesse,
die mit ihm du schlugest,
in Trauer und Trümmer
stürz' er die trügende Pracht!

Er hat den Speer im Zeichen des Kreuzes geschwungen: wie durch ein Erdbeben versinkt das Schloss. Der Garten ist schnell zu einer Einöde verdorrt; verwelkte Blumen verstreuen sich auf dem Boden. Kundry ist schreiend zusammengesunken. Parsifal hält, im Enteilen, noch einmal an

PARSIFAL
wendet sich von der Höhe der Mauertrümmer zu Kundry zurück
Du weisst,
wo du mich wiederfinden kannst!

Parsifal enteilt. Kundry hat sich ein wenig erhoben und nach ihm geblickt